Orquesta Latina EPA zu Besuch in Echternach (Luxemburg)


Monika Leufgen und Francisca Gonzáles Cisternas brauchen keine Worte, um sich zu verstehen. Ihnen reichen ein paar Noten, Laute und ein Saxofon. „Didididudadaa“ singt Leufgen vor und springt mit ihrer Stimme durch mehrere Tonlagen. Die Chilenin Francisca hat die Saxofonlehrerin verstanden. Sie setzt die Lippen an das Instrument, bläst und lässt die Finger leicht über die Knöpfe springen. Kieffer nickt bestätigend und lacht. „Sehr gut“, sagt sie und diese zwei Worte bedürfen keiner Übersetzung.

Musik als Lebenschance

Alle anderen präziseren Anweisungen, wie „etwas schneller“ oder „die Zunge präziser“ übersetzt Charlotte Kieffer ins Spanische. Sie und weitere Übersetzer begleiten das Projekt an diesem Tag in der Musikschule in Echternach. Verteilt auf mehrere Räume üben die Schüler aus Chile Saxofon, Piano, Geige, Schlagzeug und Kontrabass. Dass Jugendliche wie die 14-jährige Francisca an solch einem luxemburgisch-chilenischen Austausch teilnehmen können, hat zehn Jahre gedauert. „Es ist bisher immer am Geld gescheitert“, sagt Marc Junker. Dem Direktor der Echternacher Musikschule liegt das Projekt sehr am Herzen. „Unseren Kindern hier in Luxemburg geht es prächtig, in Chile ist das nicht so. Deswegen wollen wir helfen.“ Er sieht die Musik als Lebenschance, als etwas, das die Kinder glücklich machen kann.

Geld für Flüge, Unterkunft und Verpflegung haben sie nun erstmals durch Spenden und Benefizveranstaltungen gesammelt. Zehn Musikschüler zwischen zwölf und 19 Jahren üben eine Woche mit luxemburgischen und deutschen Musiklehrern in mehreren Workshops. An der Musikschule und im Lycée Classique in Echternach sowie im Conservatoire du Nord in Ettelbrück bereiten sie sich auf ihren großen Auftritt am Samstag im Trifolion in Echternach vor. Im Atrium werden sie gemeinsam mit Luxemburger Jugendlichen ein lateinamerikanischen Konzert geben. „Ich rechne mit einem ausverkauften Haus“, sagt Marc Junker optimistisch. In Zahlen sind das 550 Zuschauer.

„Vor so vielen Leuten haben wir noch nie gespielt, das ist alles sehr aufregend“, findet Gabriela Corriel Romirez. Auch sie spielt Saxofon. Vor vier Jahren hat sie sich in das Instrument verliebt. „Ich habe diese Töne gehört und wollte das unbedingt auch können“, sagt sie. Jetzt ist sie 13 und gehört zu den Besten der „Escuela Popular de Artes“ am Stadtrand von Viña del mar in Zentralchile.

Eine Kulturoase ohne Heizung

Viele kommen aus armen Verhältnissen. Für sie ist es der erste Flug, die erste lange Reise, das erste Mal in Europa und ein richtiger Kulturschock. In dem Armenviertel gibt es außer dieser Musik- und Kunstschule nicht viel. „Dort ist diese Einrichtung eine Oase der Kultur“, sagt Alexis Castañeda. Vor vielen Jahren kam er selbst als Junge aus dem Armenviertel in die Schule, nun ist er als pädagogischer Leiter mit nach Luxemburg gereist.

Diese Kulturoase in Chile ist ein altes unscheinbares Gebäude mit Türen, die nicht richtig schließen und Fenstern, durch die der Wind pfeift. Eine Heizung gibt es nicht. „Die gibt es in Chile fast nirgends. Dort ist es drinnen immer so kalt wie draußen“, sagt David Hoffmann. Er weiß wovon er spricht. Seit einigen Monaten arbeitet der Luxemburger als Aushilfslehrer in Chile. Der 20-Jährige musste sich erst einmal an kalte Duschen, spartanisch eingerichtete Wohnungen, das einfache Essen und die von Schlaglöchern durchzogenen Straßen gewöhnen.

Seinen einjährigen Chile-Aufenthalt hat Hoffmann unterbrochen, um die Schüler und zwei Betreuer nach Luxemburg zu begleiten. Für ihn sind elektrische Türen, Bewegungsmelder, beheizte Geschäfte und Hallenbäder eine Selbstverständlichkeit. „Die meisten Schüler kennen so etwas nicht. Wir haben ein Hallenbad besucht und in der Jugendherberge, in der die Jugendlichen untergebracht sind, gibt es eine Kletterhalle. Das alles ist total surreal für sie.“

Gleich sind nur die Instrumente. Doch auch da gibt es Unterschiede. „Die Musikschule hier in Echternach ist einfach perfekt. Es gibt so viele Angebote an Instrumenten und Zubehör“, schwärmt Alexis Castañeda begeistert. Hier könne man sich ganz auf die Musik konzentrieren. Doch er hat auch Sorgen. Denn es gibt etwas, das ihn schon seit seiner Ankunft in Luxemburg nervös macht. „Wir wollen am Samstag unbedingt einen guten Eindruck machen. Ich hoffe so sehr, dass uns das gelingt.“

Benefizkonzert zu Gunsten der „Escuela Popular de Artes“ am Samstag, 28. Oktober, um 19 Uhr im Atrium.

Aus: Luxemburger Wort, 24.10.2017
Von Sarah München

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